Die Saison 2022/23 ist gerade erst beendet, da beginnen in der Allianz Arena bereits die Vorbereitungen auf die neue Spielzeit. Jürgen Muth, Geschäftsführer der Allianz Arena München Stadion GmbH, erklärt im Interview, was sich in diesem Sommer im Heimstadion des FC Bayern verändern wird – und warum es auch in Zukunft Maßstäbe in Europa setzen wird.
Das Interview mit Jürgen Muth
Herr Muth, gibt es in der Allianz Arena eigentlich eine Sommerpause?
„Bei uns heißen die Sommermonate ‚spielfreie Zeit‘. Neun Monate wird Fußball gespielt – dann wird drei Monate gebaut. Und in diesem Jahr geht es wirklich Schlag auf Schlag: Als ich am Montag nach unserem letzten Heimspiel noch mal in die Kabine des FC Bayern wollte, bin ich gescheitert. Es hat bereits wie auf einer Großbaustelle ausgesehen. Jeder Tag zählt. Wir haben kaum Zeit – und viel vor.“
Durch Corona wurde in den vergangenen Jahren wohl so manches Vorhaben ausgebremst?
„Wir haben dieses Jahr ein massives Baujahr. Es gibt Maßnahmen, die wir nachholen. Zu Zeiten der Pandemie haben wir sowohl die Neuinvestitionen als auch die nicht absolut nötigen Instandsetzungsmaßnahmen hintenangestellt. Wir arbeiten jetzt alles ab, weil wir ja kommendes Jahr die EURO im Haus haben und 2025 das Champions League-Finale, worauf ich mich besonders freue.“
Wird mit Blick auf diese Großereignisse auch mehr investiert als sonst?
„Wir haben das Glück, dass sowohl wir als auch der gesamte FC Bayern sehr gut aus der Pandemie gekommen sind und die Allianz Arena auf stabilen Füßen steht. In den zehn Jahren vor der Pandemie haben wir kontinuierlich gebaut, teils mit Großbaumaßnahmen wie etwa dem Gästeparkhaus. Die Maßnahmen werden jetzt kleiner, dafür haben wir mehr Einzelprojekte.“
Welche Maßnahmen sind im Detail geplant? Gerüchte über eine Kapazitätserweiterung in der Nordkurve haben sich ja nicht bewahrheitet.
„Wir planen keine Erweiterung. Von 66.000 bei der Eröffnung ist die Kapazität der Allianz Arena bereits auf 75.000 Zuschauer angestiegen. Das ist eine sehr gute Größe. Man kalkuliert 1,3 Menschen, die vor einem Stuhl stehen können. Die haben wir nun verteilt – auf Sitze und Stehplätze. Nach allen Umbaumaßnahmen haben dann genauso viele Menschen Platz wie auch vorher.“
Auch der Rasen wird zur neuen Spielzeit getauscht. Wird der Blick aufs Spielfeld ein anderer sein als noch im Frühjahr?
„Wir waren mit der Rasenqualität nicht zufrieden in der letzten Saison. Daher haben wir reagiert und werden im Sommer wieder einen Hybridrasen verlegen. Er vereint die Vorteile eines Naturrasens mit der Qualität eines Hybridrasens. Er wird noch ebener werden und ist dadurch sehr gut zu bespielen. Die Investition wird sich lohnen.“
„Von 66.000 bei der Eröffnung ist die Kapazität der Allianz Arena bereits auf 75.000 Zuschauer angestiegen. Das ist eine sehr gute Größe.”
Jürgen Muth
In der Vergangenheit war schon einmal Hybridrasen im Stadion verlegt worden, der sich aber nicht bewährt hatte. Was ist nun anders?
„Der Unterschied liegt im System. Es ist ein Teppich, auf dem bereits Kunststofffasern stehen. Dazwischen wird Naturgras angesät. Dass der Rasen als Rollrasen kommt, vereinfacht das Prozedere enorm. Das alte System war ‚getaftet‘, das heißt: Mit einer überdimensionalen Nähmaschine eingebracht. Als sich die Rasenqualität dann zunehmend verschlechterte, konnten wir nicht reagieren. Das würde im Fall der Fälle diesmal anders laufen. Wir können den Rasen wie jeden anderen austauschen.“
Ist die Spielfläche damit auch widerstandsfähiger?
„Das neue System kommt aus der Gegend von Mailand und damit ganz bewusst aus einer Zone, in der es wärmer ist. Es wurde über viele Jahre schon erfolgreich z.B. in Madrid eingesetzt. Auch hier spielt der Klimawandel mit: Wir hatten bei uns im Innenraum teilweise 45 Grad in den letzten Jahren. Da wächst kein Rasen. Auf solche Temperaturen müssen wir reagieren.“
Noch bevor die Spieler des FC Bayern das neue Geläuf betreten werden, erwartet sie eine Neuerung in den Kabinen. Was ist hier geplant?
„Beim Bau 2005 hatten wir vier Mannschaftsbereiche geplant: Je eine Heimkabine für den FC Bayern und den TSV 1860 München, dazu zwei Gästekabinen. Die letzten Jahre aber haben gezeigt, dass wir diesen Bedarf nicht haben. Wir haben uns jetzt entschlossen, den Mannschaftsbereich des FC Bayern zu erweitern. Es wird einen Aufenthaltsbereich geben, eine Küche, ein Büro, einen neuen Raum für den Trainer, neue Umkleiden für die Assistenztrainer. Wir schaffen fast den doppelten Platz. Aus Gründen der Nachhaltigkeit gehen wir auch weg vom bisherigen Entmüdungsbecken. Aber bei allen Umbauten ist eines klar: die Kabine bleibt rot (lacht). Und es wird sehr hochwertig und schön. Ich freue mich drauf!“
Welche Umbaumaßnahmen sind sonst noch notwendig?
„Die Allianz Arena ist 18 Jahre in Betrieb, ein Thema ist daher Instandhaltung und Instandsetzung. Die Sanierung der Hauptküche ist die größte Einzelbaumaßnahme in diesem Jahr. Die Anforderungen an die Küche ist eine andere, als wir sie 2005 hatten, was mit der gestiegenen Anzahl an Hospitality-Plätzen zu tun hat. Im Moment ist die Küche eine Rohbau-Baustelle, wir werden eine Fertigstellung zeitlich bis zum Saisonbeginn nicht ganz schaffen und mit einer Interimsküche arbeiten. Es gibt einen Stufenplan, bis zum ersten Champions League-Spiel aber soll alles fertig sein. Der Hospitality-Gast wird keinen Unterschied merken – egal, wo gekocht wird.“
Muss noch mehr saniert werden, auch in Bezug auf Korrosionsschutz?
„Im Umlauf müssen 155 Stützen im Sockelbereich freigelegt werden. Wir machen jetzt eine Sanierung und ergänzen alle Stützen mit einem Metallnetz, das mithilfe eines elektrochemischen Verfahrens in Zukunft weitere Beschädigungen vermeiden hilft. Diese wird nur einen kleinen Bruchteil von dem kosten, was Schäden in zehn Jahren verursachen würden.“
Man gibt also alles, um weiterhin „State of the Art“ zu bleiben, oder?
„Es ist weiter unser Anspruch, immer wieder neue Benchmarks zu setzen. Wir sind gerne ‚first runner“ und haben mit dem FC Bayern und seinen Sponsoren dafür die bestmöglichen Unterstützer und Partner. Ein gutes Beispiel ist die sehr gute Versorgung mit Mobilfunk und WLAN im Stadioninnenraum. Und spätestens zur EURO wird flächendeckendes 5G kommen, nachdem wir bisher schon Teilbereiche damit abgedeckt haben.“